bff-Pressemitteilung: "Was Ihnen widerfahren ist, ist in Deutschland nicht strafbar." bff legt Fallanalyse zu Schutzlücken im Sexualstrafrecht vor

Nur die wenigsten sexuellen Übergriffe werden in Deutschland strafrechtlich geahndet. Die meisten Verfahren werden bereits von der Staatsanwaltschaft eingestellt, bevor es zu einer Anklage kommt. Der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) hat nun über 100 solcher Fälle ausgewertet, in denen es entweder zu einem Freispruch oder zu einer Einstellung des Verfahrens kam. Der Titel der Fallanalyse lautet „Was Ihnen widerfahren ist, ist in Deutschland nicht strafbar“. Leider müssen viele Betroffene von sexuellen Übergriffen, die sich zu einer Anzeige durchgerungen haben, solche oder ähnliche Sätze in den Schreiben der Staatsanwaltschaft lesen, wenn das Verfahren eingestellt wird.

In Deutschland ist eine sexuelle Handlung gegen den ausdrücklichen Willen einer Person nicht strafbar. Strafbar ist sie nur dann, wenn entweder Gewalt angewendet wird, mit Gewalt gedroht wird oder eine so genannte schutzlose Lage ausgenutzt wird. Mit der Fallanalyse konnten typische Fallkonstellationen herausgearbeitet werden, in denen die Strafverfolgung regelmäßig an der bestehenden Rechtslage scheitert.

Die Analyse kommt zu dem Ergebnis, dass es für eine Strafbarkeit nicht ausreicht, wenn die Betroffene lediglich ‚Nein‘ sagt. „Derzeit dürfen Täter sich wissentlich über den erklärten Willen der Betroffenen hinwegsetzen“, so Katja Grieger vom bff. Die untersuchten Fälle machen ebenfalls deutlich, dass für eine Strafbarkeit die Widerstandsleistung der Betroffenen im Fokus der Justiz liegt. „Die Verantwortung dafür, was als strafwürdiger sexueller Übergriff gewertet wird, wird nicht dem Täter, sondern dem Opfer übertragen. Die sexuelle Selbstbestimmung ist in Deutschland nicht voraussetzungslos geschützt, sie muss aktiv verteidigt werden“  so Katja Grieger weiter. Insgesamt veranschaulicht die Analyse, dass die Rechtslage in Deutschland viele der typischen Situationen, in denen sexuelle Übergriffe stattfinden, gar nicht erfasst. „Das ist sicher einer der Gründe, warum die Verurteilungsquote bei Vergewaltigung zuletzt bei unter 10% lag“, erläutert Grieger.

Dabei verlangt die Istanbul-Konvention des Europarates, die am 1. August 2014 in Kraft tritt, dass alle nicht-einverständlichen sexuellen Handlungen strafbar sind und eine effektive Strafverfolgung stattfindet. Die derzeitige deutsche Rechtslage steht in einem klaren Widerspruch zu dieser menschenrechtlichen  Anforderung.

Daher fordert der bff den Gesetzgeber auf, die bestehenden Schutzlücken zeitnah zu schließen. Jede sexuelle Handlung gegen das Einverständnis der Betroffenen muss strafbar sein. Ein aktuell im Bundesjustizministerium diskutierter Gesetzentwurf zur ‚Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht‘ bietet dafür die passende Gelegenheit. „Diese Chance sollte der Gesetzgeber nutzen, um die faktische Straflosigkeit sexueller Übergriffe in Deutschland endlich zu beenden“, fordert Katja Grieger.

Die Fallanalyse zu Schutzlücken im Sexualstrafrecht steht unter folgendem Link zum Download bereit:

https://www.frauen-gegen-gewalt.de/fallanalyse-zu-schutzluecken-im-sexualstrafrecht.html

Die Pressemitteilung kann auch als PDF heruntergeladen werden: bff-Pressemitteilung Schutzlücken Sexualstrafrecht

V.i.S.d.P.: Silvia Zenzen/ bff

Der bff ist der Dachverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe. Er leistet Aufklärung, Sensibilisierung, Fortbildung und Politikberatung zum Thema Gewalt gegen Frauen und vertritt rund 170 ambulante Fachberatungsstellen aus dem gesamten Bundesgebiet.

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