Gewaltschutz und Flucht:
(Neue) Wege aus der Duldung

Die rechtlichen Voraussetzungen für ein erfolgreiches Asylverfahren sind sehr hoch. Für Geflüchtete aus Ländern, in denen vom Bundesamt und auch von den Gerichten nur in sehr seltenen Fällen eine individuelle Verfolgung angenommen wird, ist es daher wichtig, nicht allein auf den Ausgang des Asylverfahrens zu warten, sondern sich mit alternativen Wegen zu einem legalem Aufenthalt zu befassen. Dies gilt auch in Fällen, in denen von Behördenseite davon ausgegangen wird, dass die Person im eigenen Land Schutz vor der Verfolgung hätte finden können.

Bis vor kurzem war es gesetzlich nicht geregelt und politisch auch nicht gewollt, aus dem Status der Duldung wieder in einen legalen Aufenthalt zu gelangen – es sei denn, die Person erwarb zum Beispiel durch Geburt eines deutschen/europäischen Kindes oder durch die Ehe mit einer deutschen/europäischen Person einen Anspruch auf einen Aufenthaltstitel (siehe Kapitel: Unter welchen Voraussetzungen hat die Geburt eines Kindes in Deutschland Auswirkungen auf den Aufenthaltsitel geflüchteter Eltern?). Selbst in den Fällen einer deutschen Ehe oder der Geburt eines deutschen Kindes verlangen die Ausländerbehörden in der Regel die Ausreise ins Herkunftsland und die Durchführung des regulären Verfahrens auf Familienzusammenführung.

Dies bedeutet, dass es Menschen gibt, die zum Teil viele Jahre im Besitz einer Duldung sind, obwohl es sich bei dieser eigentlich nur um eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung handeln soll(te).

Seit einiger Zeit gibt es Möglichkeiten, die insbesondere aus Interessen von Arbeitgeber*innen und der Wirtschaft durchgesetzt wurde. Personen, die lange in Deutschland leben und geduldet werden, können durch Arbeit oder eine Ausbildung in einen legalen Aufenthalt erlangen.

Ausbildungsduldung

Bereits seit August 2015 haben ausreisepflichtige Personen ohne deutschen Pass, die eine Ausbildung beginnen, altersunabhängig unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf eine Duldung für die gesamte Dauer einer qualifizierten Ausbildung. Seit dem 01.01.2020 ist die Ausbildungsduldung im neuen § 60c AufenthG geregelt.

Voraussetzung ist der Beginn oder das Bevorstehen einer qualifizierten Ausbildung, d.h. einer betrieblichen oder schulischen Berufsausbildung, die zu einem staatlich anerkannten oder vergleichbaren Abschluss führt und regulär zwei Jahre dauert. Zulässig sind aber auch kürzere Assistenz- oder Helfer*innenausbildungen in „Mangelberufen“ (z.B. Pflegeassistenz), wenn im direkten Anschluss eine qualifizierte Ausbildung zugesichert ist.

Die Ausbildungsduldung kommt zum einen in Betracht für Personen, die zum Zeitpunkt der Ausbildungsaufnahme seit mindestens drei Monaten in Besitz einer Duldung sind. Zum anderen für Personen, die während des Asylverfahrens eine Ausbildung aufgenommen haben und diese nach Ablehnung des Asylantrags weiterführen möchten, wenn sie selbst als Person und auch die begonnene Ausbildung die Voraussetzungen für die Ausbildungsduldung erfüllen.

Ausgeschlossen ist die Erteilung, wenn ein Arbeitsverbot nach § 60a Abs. 6 AufenthG besteht oder wenn die Person wegen einer Vorsatztat strafrechtlich verurteilt wurde sowie für Personen aus sicheren Herkunftsstaaten.

Ein Anspruch auf die Ausbildungsduldung besteht zudem nur, wenn die Identität rechtzeitig geklärt wurde oder die Person zumindest rechtzeitig an der Identitätsklärung mitgewirkt hat. Wenn trotz nachweislicher Mitwirkung die Identität nicht geklärt werden konnte, steht die Duldungserteilung im Ermessen der Behörde.

Eine erteilte Ausbildungsduldung kann nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung um weitere sechs Monate zur Suche nach einer entsprechenden Stelle verlängert werden. Wenn sich eine Arbeit in dem Ausbildungsberuf anschließt, kann hierüber letztendlich ein legaler Aufenthalt erwirkt werden.

Beschäftigungsduldung

Neu eingeführt und mit Wirkung seit dem  01.01.2020 ist in § 60d AufenthG die Beschäftigungsduldung. Damit soll bestimmten Geduldeten ein rechtssicherer Aufenthalt ermöglicht und eine Bleibeperspektive aufgezeigt werden. Es handelt sich um eine Stichtagregelung, d.h. sie steht nur Personen offen, die vor dem 01.08.2018 in die Bundesrepublik eingereist sind.

Die hohen Voraussetzungen sind jedoch nur für eine sehr begrenzte Zahl an Geflüchteten und Geduldeten erfüllbar:

  • Die Person muss seit mindestens zwölf Monaten im Besitz einer Duldung sein,
  • die Person muss seit mindestens 18 Monaten einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von mind. 35 bzw. ( Alleinerziehende 20) Wochenstunden nachgehen,
  • ihr Lebensunterhalt muss durch die Beschäftigung bereits seit 12 Monaten und auch weiterhin gesichert sein,
  • die Person muss hinreichende Deutschkenntnisse (Niveau A 2) nachweisen und
  • sie  darf nicht  wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt worden sein.

Trotz der hohen Anforderungen ermöglichen die neu geschaffenen Regelungen Übergänge in einen legalen Aufenthalt, wie er auch in den §25a und § 25b Aufenthaltsgesetz angedacht ist. Für Personen, die um Asyl bzw. internationalen Schutz nachsuchen, ist es sinnvoll, diese Möglichkeiten von Beginn ihres Aufenthalts in Deutschland an mitzudenken.

Duldung für Personen mit ungeklärter Identität bzw. Duldung zweiter Klasse

Für diejenigen ausreisepflichtigen Personen, die sich aus Sicht der Ausländerbehörde nicht genug um die Klärung ihrer Identität und/oder um die Beschaffung eines Passes kümmern, wurde allerdings verschärfend die „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität“ (§ 60 b Aufenthaltsgesetz) eingeführt. D.h., eine Person, die  nach einem abgeschlossenen Asylverfahren oder anderweitig ausreisepflichtig nicht aktiv an ihrer eigenen Abschiebung mitwirkt, erhält diese Duldung, die mit einschneidenden Verschlechterungen verbunden ist. Mit dieser Duldung besteht ein Arbeitsverbot, es gilt eine Wohnsitzauflage, die Leistungen werden gekürzt und es können Abschiebehaft, Mitwirkungshaft und Ausreisegewahrsam angeordnet werden.

Für eine aufenthaltsrechtliche Perspektive gravierend ist zudem, dass die Zeiten, in denen eine Person im Besitz dieser Duldung ist, nicht auf die zeitlichen Voraussetzungen der Bleiberechte nach §§ 25a und 25b AufenthG angerechnet werden.

Wird im weiteren Verlauf die unterbliebene Mitwirkungshandlung nachgeholt, soll anstelle der Duldung „zweiter Klasse“ wieder eine reguläre Duldung ausgestellt werden.

Zumutbar und deshalb verpflichtend für die Betroffenen soll es nicht nur sein, den Pass selber zu beantragen, sondern auch ergänzende Dokumente bei der Botschaft oder den Behörden des Herkunftsstaates zu beantragen und die hierfür anfallenden Gebühren zu zahlen. Außerdem soll auch die Teilnahme an Sammelanhörungen bei der Botschaft oder einer Delegation des Herkunftsstaats zumutbar sein, wie auch die Abgabe einer Erklärung gegenüber dem Herkunftsstaat, dass man bereit sei, „freiwillig“ zurückzukehren und ggf. auch den Wehrdienst nachzuholen.

Die meisten dieser Anforderungen sind nicht neu, sie werden in verschiedener Ausprägung von den Ausländerbehörden seit Jahren erhoben. Jetzt sind sie jedoch Gesetz geworden und die Verletzung der Passbeschaffungspflicht führt unmittelbar in eine Duldung zweiter Klasse.

Wichtig in dem Zusammenhang ist, dass die Passbeschaffung bzw. Identitätsklärung auch für die Beantragung einer Ausbildungsduldung bzw. der neu geschaffenen Beschäftigungsduldung eine größere Rolle spielt. Für Menschen, die ab 2020 nach Deutschland kommen, soll eine Ausbildungsduldung nur noch möglich sein, wenn sie spätestens sechs Monate nach Einreise ihre Identität zweifelsfrei belegt haben.

Beachte: Während des laufenden Asylerstverfahrens, sofern dieses nicht als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, besteht KEINE Pflicht zur Passbeschaffung oder Mitwirkung daran. Hier ist Vorsicht geboten, weil die Ausländerbehörden dies manchmal aus Unwissenheit oder Böswilligkeit verlangen (siehe Kapitel: Asyl- und Aufenthaltsrechtliche Regelungen, Frage 1).