Stellungnahme zum Referentenentwurf des BMFSFJ und des BMJV zum Selbstbestimmungsgesetz

Zum Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften (SBGG)

Der bff äußert sich in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf zum Selbstbestimmungsgesetz wie folgt:

Der bff: Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe bedankt sich für die Gelegenheit zur Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften (SBGG).

Im bff sind aktuell 214 ambulante Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe aus dem gesamten Bundesgebiet zusammengeschlossen. Diese unterstützen und beraten Betroffene bei sexualisierter Gewalt, Gewalt durch den (Ex-)Partner, psychischer Gewalt, Stalking, körperlicher Gewalt, struktureller Gewalt oder digitaler Gewalt. Fachberatungsstellen bieten durch niedrigschwellige Angebote psychosoziale Hilfestellung für die Bewältigung der Gewalterfahrungen an. Einige Fachberatungsstellen beraten und unterstützen auch nicht-binäre Personen, trans Personen und inter Personen. Die Öffnung der Angebote von Frauenberatungsstellen und Frauennotrufen für diese Zielgruppen ist ein Prozess, der vom bff als Verband unterstützt wird.

Trans, inter und nicht-binäre Personen sind in sehr hohem Maße von geschlechtsspezifischer Gewalt und sexistischen Übergriffen betroffen. Das zeigen Studien aus Deutschland[1]: Etwa ein Drittel (30,9%) der befragten trans Personen gibt an, bereits Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt gemacht zu haben. 79,9% erleben zudem mindestens einmal Diskriminierungen in Form von Beschimpfungen, Beleidigungen, verachtendem und demütigendem Verhalten (43,9% mehrmals und 13,6% regelmäßig). Befragungen aus europäischen Forschungen zeigen sogar ein noch größeres Ausmaß an geschlechtsspezifischen Gewalterfahrungen bei trans Personen.[2] Der bff setzt sich für die Stärkung der geschlechtlichen Selbstbestimmung aller Menschen und für den Schutz vor Diskriminierung und Gewalt ein.

Der bff begrüßt, dass das vom Bundesverfassungsgericht in vielen Teilen für verfassungswidrig erklärte Transsexuellengesetz (TSG) durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzt werden soll. Die für Betroffenen häufig als entwürdigend und als diskriminierend erlebten Hürden zur Änderung des Geschlechtseintrages im Personenstandsrecht werden durch das Selbstbestimmungsgesetz gesenkt. Das SBGG stärkt die Rechte von trans, inter und nicht-binären Personen auf geschlechtliche Selbstbestimmung. Der bff steht solidarisch an der Seite von Betroffenen und deren Forderungen und verweist bezüglich der Regelungen des SBGG im Einzelnen auf die Stellungnahmen der Organisationen und Verbände aus der Trans-Community. Deren Einschätzungen und Kritiken sollten in der Überarbeitung des Referentenentwurfs des SBGG maßgeblich berücksichtigt werden.

Das Gesetz und dessen Begründung enthalten Passagen und Regelungen, die Gefahr laufen, transfeindliche Narrative zu verstärken, die sich leider in der öffentlichen Debatte stark wiederfinden. Zu Fragen der Auswirkungen auf Frauenschutzräume möchte sich der bff als Fachverband, der im Schwerpunkt zu geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und Mädchen arbeitet, ausführlicher äußern.

Der Verweis auf die bisherige Rechtslage zu Regelungen des Hausrechts durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) im SBGG liest sich als eine Reaktion auf die öffentliche Debatte, in der immer wieder darauf verwiesen wird, cis Männer würden sich mit einer Änderung des Vornamens oder des Geschlechtseintrags zukünftig missbräuchlich Vorteile verschaffen oder könnten in Frauenschutzräumen übergriffig werden. Diesen Argumenten stellt sich der bff als Fachverband sehr deutlich entgegen. Durch solche Argumente wird trans Frauen das Frausein abgesprochen.

Statt sie pauschal als Gefahr für die Sicherheit von cis Frauen und Frauenräumen zu sehen, sollten trans Personen auch als besonders vulnerable Gruppe und als Betroffene sexualisierter Übergriffe wahrgenommen werden, die vor allem auch im öffentlichen Raum Beschimpfungen und Beleidigungen ausgesetzt sind.

Schon immer haben Schutzräume eine wichtige Funktion in der Arbeit der Fachberatungsstellen erfüllt. Sie sollen von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffenen Personen Sicherheit bieten. Damit eine Fachberatungsstelle ein Schutzraum ist, ist eine dauerhafte Auseinandersetzung zum Organisieren eines diskriminierungsfreien Raumes für die entsprechenden Nutzer*innen nötig. Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe haben jahrzehntelange Erfahrungen und Expertise darin, traumasensible und passgenaue Angebote für unterschiedliche Betroffenengruppen zu entwickeln und bereitzustellen. Dies bezieht sich beispielsweise auf die Gestaltung von Räumen, zu denen cis Männer keinen Zugang haben.

Aufgrund der besonders hohen Gewaltbetroffenheit brauchen trans, nicht-binäre und inter Personen bedarfsgerechte und diskriminierungsfreien Zugang zu Unterstützung und Hilfe bei Gewalt. Die Fachberatungsstellen des bff entwickeln in ihrer Praxis Modelle und Lösungen, die den unterschiedlichen Nutzer*innen und deren Bedürfnissen versuchen gerecht zu werden. Das SBGG ändert daran nichts und stellt die Ausgestaltung von Schutzräumen nicht in Frage. Aus Sicht des bff braucht es auch aus diesem Grund keinen Verweis auf das Hausrecht und die Regelungen im AGG im vorliegenden Referentenentwurf.

Es ist grundsätzlich eine Fehlannahme, dass alle Räume, die vor allem cis Frauen vorbehalten sind, auch Schutzräume sind. Durch das SBGG werden Damentoiletten, Umkleiden und Duschen nicht weniger sicher als bisher. An solchen Orten kommt es immer wieder zu Übergriffen vor allem durch cis Männer, denn der Geschlechtseintrag in Personaldokumenten war bisher nicht das Kriterium für den Zugang zu solchen Orten.

Der bff drängt darauf, dass die aktuelle Chance eines Selbstbestimmungsgesetzes genutzt wird, um die Rechte von trans, inter und nicht-binären Menschen zu stärken. Die weiteren Diskussionen zur Umsetzung dieses Gesetzes sollten im Sinne der Betroffenen auf menschenrechtlicher Basis geführt werden. Statt Ängste zu schüren und diskriminierende Narrative zu verstärken, sollten unbedingt die Stimmen der Betroffenen deren Forderung nach geschlechtlicher Selbstbestimmung Gehör finden.  



[1] Studie von LesMigraS (2013): „...nicht so greifbar und doch real.“ Eine quantitative und qualitative Studie zu Gewalt- und (Mehrfach-) Diskriminierungserfahrungen von lesbischen, bisexuellen Frauen und Trans* in Deutschland.“ https://lesmigras.de/wp-content/uploads/2021/11/Dokumentation-Studie-web_sicher.pdf
[2] FRA Studie (2014): Being Trans in the EU - Comparative analysis of the EU LGBT survey data https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra-2014-being-trans-eu-comparative-0_en.pdf

 

Die Stellungnahme kann hier heruntergeladen werden: