Bundestag beschließt neues Soziales Entschädigungsrecht (SER)
Am 7. November 2019 hat der Bundestag das neue Soziale Entschädigungsrecht (SGB XIV-E) beschlossen. Das Gesetz geht Ende November in den Bundesrat und wird dort verabschiedet. Die allermeisten Regelungen des Sozialen Entschädigungsrechts sollen allerdings erst zum 1. Januar 2024 in Kraft treten.
Der bff war in den letzten Jahren intensiv mit der Begleitung der Reform befasst und hat neben zwei Stellungnahmen (in Kooperation mit dem ado, KOK und VBRG) jeweils ein 7-Punkte-Papier zum Referentenentwurf und Regierungsentwurf veröffentlicht. Am 4.11. fand die öffentliche Anhörung im Bundestag statt, bei der Katja Grieger als Sachverständige geladen war.
Der Gesetzentwurf ist hier zu finden: https://www.bundestag.de
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass im beschlossenen Gesetz insgesamt deutliche Verbesserungen erreicht worden sind. Der bff erhofft sich, dass in Zukunft mehr Betroffene geschlechtsspezifischer Gewalt Leistungen erhalten können.
Die wichtigsten Regelungen für gewaltbetroffene Frauen im Überblick:
Die allermeisten Regelungen des neuen Gesetzes treten erst im Jahr 2024 in Kraft. Das wurde vom bff und vielen weiteren Verbänden kritisiert, da diese lange Zeit zwischen Beschlussfassung und Inkrafttreten zum Nachteil von Betroffenen von Gewalt ist. Im Gesetz ist außerdem festgelegt, dass die Rechtslage zum Tatzeitpunkt herangezogen wird. Das bedeutet für Betroffene, die bis zum 1. Januar 2024 geschädigt werden oder wurden, dass sie einen Anspruch nach dem aktuell geltenden Recht (OEG) nachweisen müssen. Das gilt auch dann, wenn der Antrag erst 2024 oder später gestellt wird.
Einzelne ausgewählte Regelungen des Gesetzes treten früher in Kraft, so der Anspruch auf Leistungen in Traumaambulanzen ab 2021, die Gleichsetzung von deutschen und nicht-deutschen Staatsangehörigen rückwirkend ab 2018.
Im SER sind nun auch Betroffene von psychischer Gewalt anspruchsberechtigt, was vorher nicht der Fall war. Psychische Gewalt ist dann entschädigungswürdig, wenn sie eine gewisse Schwere aufweist. Im neuen Gesetz erfasst sind auch alle Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Das ist eine deutliche Verbesserung, die aufgrund des politischen Drucks vieler Verbände noch aufgenommen wurde.
Das neue SER sieht zudem Beweiserleichterungen vor. Für viele gewaltbetroffene Frauen war bisher der Nachweis der doppelten Kausalität zwischen Tat und Schädigung sowie Schädigung und Schädigungsfolgen eine große Hürde. Das soll nun bei psychischen Gesundheitsstörungen als Folgen der Gewalt erleichtert werden.
Positiv ist, dass im neuen Sozialen Entschädigungsrecht nicht mehr ausdrücklich die Bedingung einer Strafanzeige aufgeführt ist, was sowohl für Betroffene häuslicher als auch sexualisierter Gewalt relevant ist. Es gibt außerdem weitere neue Regelungen für Betroffene von Gewalt in Partnerschaften. Bisher haben sie sehr oft aufgrund von ‚Unbilligkeit‘ oder ‚Mitverursachung‘ keine Leistungen erhalten, weil sie sich nicht oder zu spät getrennt haben oder zum gewalttätigen Partner zurückgekehrt sind. Das neue Gesetz sieht vor, dass Betroffene von häuslicher Gewalt wegen Verbleib beim oder Rückkehr zum gewalttätigen Partner nicht grundsätzlich Leistungen ausgeschlossen sein sollen.
Ob diese Veränderungen tatsächlich den gewaltbetroffenen Frauen zugutekommen, wird entscheidend von der Auslegung durch die Versorgungsämter abhängen. Der bff fordert deswegen Schulungen für Mitarbeitende der Versorgungsämter.
Im neuen Sozialen Entschädigungsrecht sind schnelle Hilfen verankert. Darunter gefasst sind ein Fallmanagement und Traumaambulanzen. Traumaambulanzen sollen bundesweit flächendeckend eingerichtet werden, laut Gesetz bis 2021. Außerdem ist die Möglichkeit von Kooperationsvereinbarungen mit Fachberatungsstellen gesetzlich festgeschrieben.
Im SER sind zudem Menschen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit anspruchsberechtigt. Bei Gewalttaten im Ausland gelten jedoch spezielle Regelungen.