Nein heißt Nein!

Anstoß der Debatte

Bereits in den 90ern kam die Forderung nach einer gesetzlichen Verankerung des Grundsatzes „Nein heißt Nein“ auf, konnte hier jedoch noch nicht umgesetzt werden.

Nachdem 1997 der Straftatbestand der Vergewaltigung in der Ehe eingeführt sowie die „Ausnutzung einer schutzlosen Lage“ in den Gesetzestext aufgenommen wurde, kam die Debatte um den § 177 (vormals: sexuelle Nötigung / Vergewaltigung) in den folgenden Jahren zunächst zur Ruhe.

Im Jahr 2010 veranstaltete der bff den Kongress „Streitsache Sexualdelikte. Frauen in der Gerechtigkeitslücke“. In der Eröffnungsrede kritisierte bff-Geschäftsführerin Katja Grieger den im Sexualstrafrecht zugrunde liegenden Gewaltbegriff, demnach eine Vergewaltigung nur unter Anwendung von Gewalt, einer Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder der Ausnutzung einer schutzlosen Lage des Opfers überhaupt als solche juristisch anerkannt werden konnte, und forderte eine Wiederaufnahme der Diskussion um den § 177.

Aufwind erfuhr die Debatte durch die 2011 im Europarat beschlossene Istanbul-Konvention, die von den unterzeichnenden Staaten verlangt, alle nicht einvernehmlichen Handlungen unter Strafe zu stellen. Nach der Unterzeichnung Deutschlands wiesen mehrere Verbände darauf hin, dass diese Anforderungen durch die bisherige Gesetzgebung nicht erfüllt wurden:

Policy Paper des Deutschen Instituts für Menschenrechte, 2014: Schutzlücken bei der Strafverfolgung von Vergewaltigungen

Um den Änderungsbedarf und die bestehenden Schutzlücken im Sexualstrafrecht näher zu untersuchen, führte der bff 2014 eine Fallanalyse („Was Ihnen widerfahren ist, ist in Deutschland nicht strafbar“) durch, bei der über 100 Einstellungsbescheide und Freispruchsbegründungen in Fällen schwerer sexualisierter Gewalt ausgewertet wurden.

Die Studie kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: Die Ausformulierung und Auslegung des bisherigen Sexualstrafrechts führte systematisch dazu, dass nicht alle Fälle, in denen sexuelle Handlungen gegen den Willen einer Person geschehen, strafrechtlich verfolgt werden konnten. In allen analysierten Fällen geschahen sexuelle Übergriffe gegen den eindeutigen und klar ausgedrückten Willen der Betroffenen, ohne dass diese zu einer Anklageerhebung oder gar Verurteilung des Täters führten.

Die Veröffentlichung der Fallanalyse erreichte eine große Öffentlichkeit und führte dazu, dass die geforderte Reform des Sexualstrafrechts in den Medien ausführlich diskutiert wurde.

bff-Fallanalyse: "Was Ihnen widerfahren ist, ist in Deutschland nicht strafbar"

Ob die Verurteilungsquote durch die Reform des Sexualstrafrechts steigt, bleibt jedoch abzuwarten und hängt unter anderem von der gerichtlichen Auslegung des neuen Gesetzes ab. Zudem ändert durch die neue gesetzliche Grundlage nichts an der bei Sexualdelikten oft schwierigen Beweislage.