medizinische Versorgung nach sexualisierter Gewalt sicherstellen! #HilfenachVergewaltigung

Der bff hat am 26.06.2023 eine Kampagne zur medizinischen Versorgung nach sexualisierter Gewalt gestartet. Unter dem #HilfenachVergewaltigung fordert der bff gemeinsam mit zahlreichen Organisationen eine Verbesserung der medizinischen Akutversorgung nach sexualisierter Gewalt.

  • Denn Betroffene werden noch immer von Kliniken abgewiesen oder müssen lange Wartezeiten in Kauf nehmen.
  • Sie müssen teilweise Untersuchungen und Medikamente selbst zahlen.
  • Kliniken fehlt Zeit, Personal und Wissen für eine traumasensible, diskriminierungsfreie und umfassende Behandlung Betroffener.

Das muss sich ändern.

Am 05. und 06.07.2023 findet die 96. Gesundheitsministerkonferenz statt. Zu diesem Anlass richten der bff und die unterstützenden Organisationen ihre Forderungen direkt an das Bundesgesundheitsministerium, die Minister*innen und Senator*innen der Bundesländer und die Gesundheitsministerkonferenz (GMK).

Wir hoffen auf viel Unterstützung! Schicken auch Sie den Brief an Ihre Landesminister*innen, die GMK und das Bundesgesundheitsministerium.

Hier die Vorlage als Word-Datei und Text:

Sehr geehrter Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach,

sehr geehrte Gesundheitsminister und Gesundheitsministerinnen der Länder,

wir wenden uns an Sie, um auf ein dringendes Anliegen aufmerksam zu machen: die weithin fehlende medizinische Versorgung von Betroffenen sexualisierter Gewalt. Gemäß Artikel 25 der Istanbul-Konvention, die in Deutschland geltendes Recht ist, muss eine schnelle, unkomplizierte und umfassende medizinische, psychosoziale und rechtsmedizinische Versorgung für vergewaltigte Frauen und Mädchen sichergestellt werden. Dies ist nicht der Fall.  

Vergewaltigung ist ein medizinischer Notfall, wird allerdings in der Praxis leider oft nicht als ein solcher behandelt. Der Weg zum nächsten Krankenhaus ist für Betroffene oft weit, den Kliniken fehlt es an zeitlichen und personellen Kapazitäten, in der Folge leidet der traumasensible Umgang mit Betroffenen. Nicht selten werden Betroffene aktuell in Krankenhäusern abgewiesen und bleiben als Folge unversorgt. Unversorgt bleiben oft auch Jugendliche und Menschen mit Behinderungen. Werden sie versorgt, müssen sie oft lange Wartezeiten auf sich nehmen und die Kosten, z.B. für Laboruntersuchungen oder Medikamente teilweise selbst zahlen.

Seit 2020 besteht ein Rechtsanspruch auf eine kostenfreie vertrauliche Spurensicherung (geregelt in § 27 und § 132k SGB V). Zuständig für die Umsetzung des Gesetzes sind die Bundesländer – aber noch immer sind wir von einer flächendeckenden Umsetzung sehr weit entfernt. Das Gesetz hat viele Lücken: So regelt es nicht die medizinische Erstversorgung, in der Annahme, dass diese bereits sichergestellt ist. Außerdem haben Jugendliche und Erwachsene mit privater Krankenversicherung, Personen ohne Aufenthaltstitel und Krankenversicherung keinen Anspruch auf eine kostenfreie vertrauliche Spurensicherung. Damit Betroffene sich aber für eine Sicherung der Spuren und ggfls. eine Anzeige entscheiden können, müssen sie zunächst medizinisch gut versorgt werden. Die medizinische, rechtsmedizinische und psychosoziale Versorgung Betroffener sexualisierter Gewalt muss Hand in Hand gehen und flächendeckend, kostenfrei, barrierefrei, für alle zugänglich und traumasensibel gewährleistet werden.

Was genau das bedeutet und welche aktuellen Missstände es in der medizinischen Versorgung Betroffener gibt, darauf macht der bff: Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe – Frauen gegen Gewalt e.V. mit der social-media Kampagne #HilfenachVergewaltigung aufmerksam.

Wir fordern:

  • Umsetzung des Artikel 25 der Istanbul-Konvention! Die gesundheitliche Versorgung muss nach erlebter Gewalt leicht zugänglich, bedarfsgerecht, geschlechts- und traumasensibel, vertraulich und diskriminierungsfrei erfolgen – und entsprechend finanziert sein.
  • Vergewaltigung ist ein medizinischer Notfall und muss als solcher behandelt werden. Krankenhäuser brauchen dafür entsprechende zeitliche und personelle Ressourcen.
  • Das Personal in Kliniken muss entsprechend fortgebildet sein und klaren Standards bei der Behandlung folgen. Einheitliche Qualitätsstandards für die Versorgung Betroffener von sexualisierter Gewalt, einschließlich vertraulicher Spurensicherung, sind erforderlich.
  • Alle medizinischen Leistungen der Akutversorgung nach sexualisierter Gewalt müssen finanziert werden. Weder Betroffene noch Kliniken dürfen auf den Kosten sitzenbleiben.
    Es braucht einen verstärkten Einsatz auf Bundes- und Landesebene für die Umsetzung der vertraulichen Spurensicherung im SGB V. Dabei müssen bisher nicht berücksichtigte Personengruppen mit bedacht werden. Gleichzeitig muss die medizinische Akutversorgung vollumfänglich gewährleistet sein.
  • Diskriminierungsfreier Zugang zu Versorgungsangeboten nach erlebter sexualisierter und körperlicher Gewalt ist wichtig. Das bedeutet, das medizinische, rechtsmedizinische und psychosoziale Versorgungsangebote barrierefrei und mehrsprachig zur Verfügung stehen müssen.


Betroffene von sexualisierter Gewalt sind in erster Linie an Seele und Körper verletzte Personen und genau so sollten sie vom Gesundheitssystem empfangen werden. Die Beweissicherung ist entsprechend nachrangig und erfolgt nur auf Wunsch der Patient*in. Wir fordern alle Beteiligten auf, diesen Paradigmenwechsel bei der Versorgung Betroffener sexualisierter Gewalt mitzudenken und zur federführenden Haltung werden zu lassen.

Unterstützt werden die Forderungen des bff von folgenden Organisationen:

BAG – Wohungslosenhilfe e.V., BIG Koordininierung, Büro Frauenbeauftragte Stadt Heilbronn, DaMigra e.V., Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT) e. V., Deutscher Ärztinnenbund e.V., Deutscher Frauenrat, Doctors for Choice Germany e.V, Frauenhauskoordinierung e.V., JUMEN e.V. – juristische Menschenrechtsarbeit in Deutschland, Kein Opfer e.V., KOK – Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V., Lachesis e.V., LACHESIS – Berufsverband für Heilpraktikerinnen, Landesfrauenrat Mecklenburg-Vorpommern, MIA – Mütterinitiative für Alleinerziehende e.V. i.G., pro familia Bundesverband, ZIF – Zentrale Informationsstelle autonomer Frauenhäuser

Weitere Informationen sowie Forderungspapiere des bff zur medizinischen Versorgung nach sexualisierter Gewalt sind hier zu finden:

https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/aktionen-themen/versorgung-nach-sexualisierter-gewalt/forderungen-des-bff-zur-medizinischen-versorgung-und-vertraulichen-spurensicherung.html