Neue rechtliche Möglichkeiten gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

Zahlreiche Studien und Erfahrungen aus der psychosozialen Beratung zeigen seit Jahren und Jahrzehnten, dass sich Betroffene sexueller Belästigung am Arbeitsplatz aufgrund vielfältiger und massiver Barrieren kaum rechtlich zur Wehr setzen. Das Ergebnis: Die Rechtnutzung des Schutzes gegen sexuelle Belästigung geht gegen Null. Um Betroffenenrechte zu stärken wurde im Juni 2023 die ILO Konvention 190 in Deutschland ratifiziert. In diesem Bereich finden Sie Informationen über Inhalte, Ziele und Umsetzungsregeln der neuen internationalen Konvention. Zudem werden hier in Kürze die make it work-Forderungen zum besseren rechtlichen Schutz von Betroffenen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz veröffentlicht.

 

ILO 190: Übereinkommen über Beseitigung von Gewalt je Belästigung in der Arbeitswelt

Am  14.06.2023  ist die ILO Konvention 190 in Deutschland in Kraft getreten. Die Konvention ist damit geltendes Recht. Das Übereinkommen 190 ist das „Übereinkommen über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt“ das durch die Internationale Arbeitsorganisation (International Labour Organisation) ausgearbeitet wurde. Die Internationale Arbeitsorganisation besteht aus Vertretungen der Regierungen, Arbeitgeber*innenvertretungen und Arbeitnehmer*innenvertretungen, die gemeinsam Standards zu universalen Prinzipien und Rechten bei der Arbeit ausarbeiten und verabschieden. Die ILO 190 wurde auf der Internationalen Arbeitskonferenz  2019 beschlossen und verabschiedet.

Das völkerrechtliche Übereinkommen ist die weltweit erste Konvention, die Arbeitnehmer*innen  sowie andere Personen umfassend vor sexualisierter Gewalt und Belästigung schützt und verbietet alle sexuell bestimmten Verhaltensweisen, die Menschen am Arbeitsplatz demütigen und/oder herabwürdigen.

 

Was ist das Ziel der Konvention?

Ziel der Konvention ist es sexuelle Belästigung, Diskriminierung und Gewalt in der Arbeitswelt zu beseitigen.

Das Übereinkommen enthält eine breite weltweit gültige Definition verbotener Verhaltensweisen am Arbeitsplatz, umfassende Geltungsbereiche (beispielsweise auch Pausenräume, Dienstreisen, arbeitsbezogene Kommunikation) und schützt neben Arbeitnehmer*innen, beispielsweise auch Selbstständige,Bewerber*innen, Personen in der Ausbildung sowie Menschen, die in der informellen Wirtschaft beschäftigt sind. Zudem benennt die Konvention klare Arbeitgeber*innenverpflichten wenn es um Prävention und Intervention sexueller Belästigung am Arbeitsplatz geht. Zudem definiert die Konvention sexuelle Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz als Form geschlechtsspezifischer Gewalt in der Arbeitswelt von der vor allem Frauen und Mädchen unverhältnismäßig stark betroffen sind. Zudem macht die Konvention deutlich welche schwere Folgen für Betroffene haben kann. Das Übereinkommen nennt zudem die Auswirkungen  häuslicher Gewalt auf Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz und die Notwendigkeit Maßnahmen zum Schutz Betroffener umzusetzen.

Die Konvention betont die Notwendigkeit einer umfassenden Strategie gegen Belästigung und Gewalt in der Arbeitswelt als Ausdruck geschlechtsspezifischer Gewalt. Dabei spielen Umsetzung und Überwachung von Maßnahmen gegen Bestätigung und Gewalt eine zentrale Rolle, die Konvention verweist dabei auch auf die besondere Bedeutung von Schulungen für verantwortliche Akteur*innen. Zudem betont die Konvention die Wichtigkeit des Zugangs zu Unterstützungsangeboten (darunter Fachberatungsstellen) für Betroffene und die Verpflichtung zum besonderen Schutz für Menschen, die in der informellen Wirtschaft beschäftigt sind.

Die Konvention besteht aus insgesamt 20 Artikeln und einer Empfehlung (Empfehlung 206). Das Übereinkommen kann hier nachgelesen werden: Link zur ILO Konvention 190.

 

Wer ist verantwortlich für die Umsetzung des Übereinkommens 190?

Staaten, die das Übereinkommen ratifiziert haben, verpflichten sich zur Umsetzung in die jeweilige nationale Gesetzgebung und nationale Praxis. Daraus ergeben sich im Fall der ILO 190 Pflichten des Staates sowie Arbeitgeber*innen wenn es um den Schutz vor sexueller Belästigung für Arbeitnehmer*innen. Zudem gibt die ILO Empfehlungen, die als nicht verbindliche Richtlinien dienen.

 

Wie wird die Umsetzung der ILO Konvention 190 kontrolliert?

12 Monate nach der Ratifizierung durch das Parlament tritt das Übereinkommen in Kraft. Nach der Ratifizierung wird ihre Umsetzung auf nationaler Ebene, juristisch und faktisch, von der ILO regelmäßig überprüft. Die Staaten, die das Abkommen ratifiziert haben, verpflichten sich in regelmäßigen Abständen über ihre Anwendung zu berichten. Darüber hinaus können Vertretungs- und Beschwerdeverfahren durch Regierungen anderer Länder  bzw. Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretungen gegen Staaten wegen Verstößen gegen ein Übereinkommen, die sie ratifiziert haben, eingeleitet werden.